Montag, 16. Mai 2011

Darf der Mensch sich töten?


Selbsttötung

Es sind die prominenten Fälle, die aufrütteln und aufhorchen lassen. Alle 45 Minuten nimmt sich in Deutschland ein Mensch das Leben, alle vier Minuten gibt es einen Selbstmordversuch.

Doch erst der Tod von Gunter Sachs hat das Tabuthema wieder in die Schlagzeilen gebracht. Erschüttert fragt man sich, warum er keinen anderen Ausweg sah.
Gibt es nicht genug Leute, die ihr Schicksal geduldig ertragen, genug Angehörige, die bereit sind, sie in Krankheit und Sterben zu begleiten?

Darf man überhaupt "Hand an sich legen" und das auch noch Freitod nennen?

Unvergessen bleibt mir einen Anruf einer Freundin vor einigen Jahren: "Meine Mutter hat mich gefragt, ob ich ihr nicht den Cocktail von Hannelore Kohl besorgen könnte." Die alte Dame war noch mit 89 Jahren täglich schwimmen gegangen, jetzt liessen die Kräfte nach- und sie wurde zum Pflegefall. Sie hatte von Hannelore Kohl gelesen, die sich im Juli 2001 mit einem Tablettenmix das Leben genommen hatte.

Fassungslos fragte ich die Freundin, was sie denn geantwortet habe.
Sie hat ihre Mutter in den Arm genommen, sie gestreichelt- und ihr versprochen: " Gott allein ist es, der Beginn und Ende des Lebens setzt. Er hat versprochen, uns bis ins hohe Alter zu tragen - und wir Kinder sind dazu da, ihm dabei zu helfen."

In dieser Antwort steckt alles Wesentliche. Es ist kein billiges Vertrösten, es ist echter Trost, wenn man weiss: Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf.
Das Gebot der Bibel "Du sollst nicht töten" bezieht sich auch auf den Wert des eigenen Lebens, mag es gesund oder gebrechlich sein. Das Verbot, sich selbst zu töten, ist kein Anschlag auf unsere Freiheit, sondern ein Angebot zum Überleben, ein Stoppschild vor dem Abgrund.

Doch wäre das eine eiskalte Gefrierschrankmoral, gäbe es nicht die Menschen um uns herum, die helfen, raten und trösten können. Und die sind es, denen wir Kummer und Schmerz bereiten, wenn wir uns aus ihrer Gemeinschaft davonstehlen und sie in Grübeln und Zweifeln zurücklassen.

Ist es wirklich " die letzte Freiheit ", wie jetzt kommentiert wird, ist es " mutig und nachvollziehbar ", dass Gunter Sachs den "Freitod" gewählt hat?

Niemand hat das Recht, zu verdammen, und kein Angehöriger sollte an der Qual verzweifeln, zu spät eingegriffen zu haben.
Doch was ist "frei" an einem Tod, der dem eigenen Leben keine Chance mehr gibt?
Suizidforscher warnen vor diesem wohlklingenden Begriff, weil der Selbstmörder alles andere als frei ist, sondern bei diesem letzten Schritt in seiner Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt und einsam.

Als Nationaltorwart Robert Enke sich im November 2009 vor einen Zug warf, war eine lange Zeit schwerster Depression vorausgegangen. 
Margot Kässmann hielt damals die Traueransprache, weil sie niemandem 
"die letzte Würde versagen" wollte, sagte aber auch: Der Selbstmord des Fussballers ist ein sehr aggressiver Akt, gegenüber dem Lokführer, der Rettungskräften, der Familie."

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) Märtyrer der Nazi-Barbarei, nannte Selbstmord Sünde und einen Missbrauch der Freiheit, die der Schöpfer seinen Geschöpfen lasse: "Der Mensch soll sein irdisches Leben, auch dort, wo es ihm zur Qual wird, ganz in Gottes Hand geben und sich nicht daraus durch Selbsthilfe befreien." 
Neben diesen Grundsatz stellt Bonhoeffer jedoch die göttliche Barmherzigkeit: Da der Selbstmord eine Tat der Einsamkeit ist, bleiben die letzten entscheidenden Motive fast immer verborgen." Niemand hat das Recht zu richten, wenn Gott Gnade walten lässt.
Wer sich umbringt, bringt sich um den Tag, an dem ihm geholfen werden kann.

Peter  Hahne


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