Samstag, 4. April 2009

Zum Palmsonntag


PREDIGT ZUM PALMSONNTAG



Kürzlich fragte mich eine Frau: "Haben es die Jünger damals leichter gehabt, an Jesus zu glauben, als wir? Sie sahen doch all die Zeichen, die Jesus tat." Unser Predigttext gibt uns eine Antwort darauf. Johannes schreibt: Das verstanden seine Jünger zunächst nicht. Seine Jünger waren dabei, aber sie verstanden ihren Meister nicht und konnten ihn sicher auch nicht verstehen.

Wenige Tage vor seinem Einzug in Jerusalem erweckte Jesus den toten Lazarus in Betanien und zeigte damit, dass er den Tod überwinden konnte. Ein verstorbener, geliebter Mensch kehrte aus dem Grabe ins Leben zurück. Die Einbahnstraße des Lebens wurde für einen Augenblick auch in der anderen Richtung begehbar. Ein Geschehen, das so endgültig ist wie der Tod, wurde zurückgenommen. Lazarus wurde seiner Familie wiedergegeben. Die Geschichte ist unglaublich, aber wahr. Lazarus war später Bischof von Zypern.

Jesus war Herr über den Tod und ging dennoch dem eigenen Tod mutig entgegen. Wer konnte diesen Widerspruch verstehen?

Das Volk? Sicher nicht!

Damals wie heute sind die Menschen auf Sensationen aus. Daran hat sich nichts geändert. Jesus hat einen Menschen von den Toten auferweckt. Das haben sie gehört und diesen Mann wollen sie sehen. Er kommt nach Jerusalem? Das kann nur heißen, dass er jetzt die Herrschaft antreten wird! Die Verheißungen aus der Schrift erfüllen sich.

Ganz Israel wartete damals auf den Messias, der sie aus der Herrschaft der Römer befreien würde. Ob Jesus dieser Messias war? Jesus war als Wanderprediger und Wundertäter bekannt, nun hatte er seine Macht über den Tod bewiesen. Er kam zwar als einfacher Mann, aber Gott ging seine eigenen Wege und die großen Propheten Israels traten auch stets bescheiden auf. War er wirklich der Messias? Die Hoffnung war groß und so kamen sie ihm mit Palmenzweigen entgegen.

Palmenzweige sind Zeichen des Friedens. Das Ganze war eine friedliche Demonstration unter den Augen der strengen Römer, die jeder kriegerischen Handlung mit Waffengewalt Einhalt geboten hätten. Aber so sahen sie nur friedliche Menschen, die jemanden begrüßen wollten, in dem sie ihren König sahen, wohl eins der religiösen Rituale, von denen es so viele in Israel gab. 

Israel war für die Römer ein erstaunliches Land, mit dem sie sich schwer taten. Sie waren gewöhnt, andere Völker niederzutreten. Die Militärmacht Rom beherrschte die Welt. Ihre Kaiser nannten sich gute Hirten und trugen einen Lorbeerzweig als Krone. Sie sahen sich als Friedensfürsten, denn in ihrem Reich konnte man sich ungehindert bewegen. Der Pax romana, der römische Frieden, machte Gewerbe und Handel im ganzen Mittelmeerraum möglich. Der römische Kaiser und seine Statthalter waren hochgebildete Menschen, aber hier in Israel begegneten sie einem ganz anderen Denken, das sie nicht verstehen konnten. Menschliches Denken und war es auch noch so sehr an philosophischen Fragen geschult, kam an seine Grenzen.

Jesus verhielt sich ganz anders, als man es nach menschlichem Ermessen erwarten konnte.
Die Menge jubelte ihm zu und feierte ihn als Friedensfürst. Das zeigten die Palmenzweige.
"Hosianna", riefen sie, die uralte Bitte: "Herr hilf uns!" Beides klingt in diesem Ruf durch: 

Jubel und Lob Gottes verbunden mit der Bitte um Hilfe. Und so geht ihr Rufen auch weiter:
"Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!"
Da kommt jemand im Namen des Herrn, das verstehen sie.

Was aber heißt das: Im Namen des Herrn?

Etwas im Namen des Herrn zu tun, ist eine große Verpflichtung. Dann stellt man seine eigenen Wünsche und Gedanken ganz zurück.

Wir feiern unsere Gottesdienste im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

In dem Moment, wo ich dieses Votum ausspreche, stelle ich die Zeit ganz und gar unter Gottes Führung. Nicht mehr das, was ich denke, meine oder fühle, soll gelten, sondern Gott selber soll in den Gebeten, in den Liedern und in der Predigt zu uns sprechen. Gottes Wort soll uns stärken und uns seinen Willen verständlich machen. 

"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen", verheißt uns Jesus. Da ist wieder dieser Ausspruch "in meinem Namen". Die Versammlung der zwei oder drei wird erst dann zu einem Gottesdienst, wenn sie in Jesu Namen versammelt sind und nicht um eigene Angelegenheiten zu regeln. 

Bei dem Einzug Jesu in Jerusalem verstehen die Menschen verstehen, dass etwas Besonderes geschieht. Da kommt jemand im Namen des Herrn und mehr noch: Sie nennen ihn den König von Israel.

Jetzt wird es aber kritisch: Der regierende König von Juda war Herodes, der König von Roms Gnaden. Plötzlich wird ein Titel ausgesprochen, den es seit den Tagen König Davids und Salomos nicht mehr gab: König von Israel. Jeder Jude wusste doch, dass das Königreich Israel schon vor langer Zeit untergegangen war. Israel gab es politisch nicht mehr. Also ein König ohne Land?

Die einen hören die wunderbare Erinnerung an die große Geschichte Israels und denken an König David und die glorreiche Vergangenheit. Die anderen hören die wunderbare Verheißung einer großen Zukunft. Einmal werden alle Stämme aus allen Völkern wieder gesammelt werden und alle Völker werden zum Berg Zion kommen. So haben es die großen Propheten verheißen. Einmal wird es so sein oder beginnt jetzt schon die herrliche Zukunft?

Die anderen hören den Namen eines Königs, den es so nicht gibt. Also ein Traumtänzer, ein Träumer, der die Realpolitik nicht versteht, aber immerhin jemand, der den Tod überwinden kann. Warum sollte er nicht auch in der Lage sein, die Zeit zurückzudrehen und Israel von neuem erstehen zu lassen?

Jedenfalls ist dieser Augenblick für alle etwas ganz besonders und sie feiern ihn. Ja, man soll Feste feiern, wie sie fallen! Der Einzug Jesu in Jerusalem wird im Kirchenjahr zweimal gefeiert: Einmal im Advent und heute am Palmsonntag. Es ist ein Festtag, an dem wir mit dem Volk Israel jubeln dürfen. Überall blühen Blumen und an den Salweiden erscheinen die Palmkätzchen. Der Frühling ist da, Das Leben siegt über den anscheinend so allmächtigen Tod. Der König kommt, der auch den Tod besiegen kann! Jesus kommt!

Die Menge geht ihm entgegen, jubelt und lobt Gott. Und wir heute?

Wie soll ich dich empfangen? Das Adventslied haben wir gesungen, weil es so sehr auch in diesen Gottesdienst passt.

Wie soll ich dich empfangen? Mit Blumen und Jubel, so wie man einen geliebten Menschen begrüßt. Mit Freude und offenen Armen! So sollen wir ihn empfangen, denn unser Gott kommt uns in Jesus Christus ganz nahe.

Und wie geht Jesus mit dem Jubel um? Lässt er sich feiern?
Er reitet auf einem Esel nach Jerusalem ein.

Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, so schreibt Johannes aus der Erinnerung, denn der Esel ist ihm wichtig. Die anderen Evangelisten sind da genauer und erzählen, wie Jesus seine Jünger aussandte und sich den Esel bringen ließ. Wieder gibt Jesus ein Zeichen, das erst im Rückblick verstanden wird.

David tanzte zum Spiel der Harfe vor seinen Soldaten. Andere Könige ritten auf einem Pferd in die Stadt ein, denn ein Pferd ist das Zeichen der militärischen Macht. Aber ein Esel?

Ein Esel ist das Reittier der Armen, das Lasttier, das geduldig auch schwerste Lasten trägt.

Auch heute noch sieht man im Vorderen Orient die kleinen grauen Esel, die schwer bepackt durch die Straßen trotten.

Mit dem Ritt auf dem Esel erfüllte Jesus eine Verheißung, die der Propheten Sacharja einst verkündet hatte. 

"Fürchte dich nicht, du Tochter Zion. Siehe, den König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen", so zitiert Johannes den Propheten Sacharja. Das Volk Israel durfte zur Zeit dieses Propheten aus der babylonischen Gefangenschaft heimkehren und stand vor dem Neubeginn, der keineswegs einfach war. Israel war umgeben von Feinden, die es vernichten wollten. Aber Gott verhieß dem Volk ein Friedensreich. Kein streitbarer König auf einem Schlachtross wird es aus aller Gefahr erlösen, sondern ein Friedenskönig, der auf einem Esel reitet.

Alle Träume von einem raschen Ende der römischen Herrschaft waren falsch, das erkennt Johannes in der Rückschau. Was immer wir in diesem Augenblick auch gedacht und empfunden haben, es war falsch, denn Gottes Ziel war ganz anders. Jesus ging seinen Weg zu seinem Opfertod am Kreuz ganz konsequent.

Wir haben gedacht und mit dem Volk gejubelt, dass der Herr über den Tod nun einzöge, aber Jesus kam nach Jerusalem um seinen Auftrag zu erfüllen.

Der Palmsonntag ist der 1. Tag der Karwoche, in der auch wir mit Jesus den Weg zum Kreuz gehen.

Den Tod überwinden? Alles Leid der Welt besiegen? Das geht nicht mit Gewalt.

Viele haben versucht, mit Gewalt Unheil zu besiegen, aber Gewalt hat immer nur Gewalt hervorgebracht. Kürzlich sah ich im Offenburger Tagblatt eine interessante Karikatur: Ein gewaltiges Kanonenrohr, auf dem Obama steht, feuert, aber keine todbringende Kanonenkugel sondern stattdessen einen Blumenstrauß.

Wie ist das, wenn alles ganz anders ist, als man erwartet? Wenn eine waffenstrotzende Weltmacht plötzlich Teamarbeit und Frieden anbietet? Im Tun wird sich Obamas Friedensinitiative bewähren müssen.

Jesus hatte mit der Auferweckung des Lazarus noch nicht den Tod überwunden. Er hatte ein Zeichen gesetzt und sagte seinen Jüngern: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und stirbt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.

Die Jünger sahen damals mit vielen anderen Menschen, Lazarus aus seinem Grabe kommen, aber Wirklichkeit wurde die Auferstehung erst durch Jesu Tod am Kreuz und seine Auferstehung am Ostermorgen.

Die Jünger sahen Jesus auf einem Esel nach Jerusalem hineinreiten, aber Wirklichkeit wurde der Friedenskönig auch erst durch Jesu Tod und Auferstehung

Jetzt erst nachdem alle Prophezeiungen erfüllt waren, war das Zeichen zur Tatsache geworden. So sieht es Johannes in der Rückschau auf die Ereignisse vom Palmsonntag.

"Fürchte dich nicht, du Tochter Zion. Siehe dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen!"

Dieses Wort aus dem Propheten Sacharja gilt noch immer, so weiß Johannes nun in der Rückschau. Jesus kommt und möchte empfangen werden. Er ist nicht nur damals in Jerusalem eingezogen, sondern er ist immer wieder auf dem Weg zu uns. Nicht mit Gewalt, sondern als Friedensbringer. Er bringt Frieden, den Frieden, der höher ist als alle Vernunft und der das größte Geschenk ist.

Vernunft kann nicht Grenzen überwinden. Vernunft sieht Grenzen, Leid und Tod, kann dem
aber nichts entgegensetzen. Doch Jesus Christus kann das, Er ist Leid und Tod nicht ausgewichen, sondern hat zu dem Weg, den Gott für ihn vorgesehen hatte, ja gesagt. Er hat sich nicht gewehrt, sondern das auch sich genommen, was notwendig war, damit wir zu Gott zurückkehren können.

Ist das nicht ein Grund, diesen herrlichen Friedenskönig bei uns aufzunehmen und ihn mit Freude willkommen zu heißen?

Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

Die Pharisäer beschlossen seinen Tod. Jesus wurde getötet und alles schien zuende zu sein. Aber selbst sie konnten damit nichts erreichen! Nach der Auferstehung begann der Siegeszug Jesu Christi erst recht. Die jungen Christen mussten sich gegen Rom durchsetzen. Sicher hat Johannes mit diesem Satz auch den Herrschern seiner Zeit sagen wollen: "Ihr könnt gegen Jesus Christus“ nichts ausrichten und wenn Ihr es noch so sehr versucht!!"

Heute, in unserer Zeit, ist das Evangelium wieder in Bedrängnis. Machen wir uns nichts vor:
Jesu Botschaft von der Liebe Gottes zu allen Menschen wird verleugnet und nicht mehr verstanden. Es feiern nur wenige mit uns den Palmsonntag. Aber gerade deshalb möchte ich auch uns heute gegen alle Atheisten und Besserwisser auf die Palmenzweige schreiben:

"Hosianna! Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn!" 

Amen

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